Montag, 1. August 2011

WANNWEIL VOR 40 JAHREN, -1970- TEIL 3

Eine wichtige Quelle zur Gegenwartsgeschichte Wannweils ist die von dem langjährigen Feuerwehrkommandanten Günter Niemeyer (geb. 1927, verzogen nach Eningen1988 und dort 2009 verstorben. Er wurde 82 Jahre alt) geführte Chronik aus den Jahren 1970 bis 1985. Niemeyer war ein Jahrgangskollege des langjährigen FDP-Außenministers Hans-Dietrich Genscher, der ihn einmal in Wannweil in der Marienstraße 25 besuchte. Niemeyer trat 1951 in die Wannweiler Feuerwehr ein. Er führte diese Chronik von 1970 bis 1985.

Im Folgenden soll daran erinnert werden, was die Wannweiler vor 40 Jahren, im Jahre 1970 bewegte. In diesen Beiträgen werden Leute genannt, die 1970 eine Rolle spielten. Einige sind schon vergessen. Der Nutzen mancher Baumaßnahme, die 1970 umstritten war, wird heute als selbstverständlich hingenommen. Im Juli 1970 wird der Ausbau der Kusterdinger Straße geplant. Die Eindolung des Ebbachs soll erfolgen. Die Brücken in der Bahnhofstraße und in der Kusterdinger Straße sollen abgebrochen und erneuert werden. Das wurde bis 1974 verwirklicht. Es ist "von der Brücke beim Lebensmittelgeschäft Gueudin" die Rede. 2011 kann man sich die Situation an der Echaz gar nicht mehr vorstellen. Das frühere Lebensmittelgeschäft von Reichart wurde zuletzt von türkischen Mitbürgern betrieben. 2011 befinden sich dort Parkplätze und eine Grünanlage. In den Jahren 2008 und 2009 waren diese Brücken sanierungsbedürftig. Die Baulandpreise betragen 60 DM pro Quadratmeter. Beim Erntedankfest ist die Johanneskirche mit 600 Plätzen und das Gemeindehaus voll besetzt. Der Gesangverein unter Gustav Schaumburg jun. singt "Herr Deine Güte", Tonsatz von A. E. Grell (1800 bis 1886). Das Pfarrhaus wird umgebaut. Der ev. Kindergarten, erbaut im Bungalowstil, wird bis April 1971 fertig. Das Gebäude wurde inzwischen mehrfach saniert. Im Heges wird eine Oberflächenteerung vorgenommen. Dafür bedanken sich die betroffenen Bürger, was besonders hervorgehoben wird. Rektor Arno Schmid (geb. 1928 , lebt 2011 mit Ehefrau Katharina als Rentner in Wannweil) erläutert den Raumbedarf der Uhlandschule, die 1970 von 450 Schülern besucht wird. Immer wieder bereitet der Firstbach Probleme, weil er Oberflächenwasser vom Industriegebiet Reutlingen-West aufnehmen muß. Der Bundestagsabgeordnete Anton Pfeiffer (CDU) verspricht, sich für die Finanzierung des Echazausbaus einzusetzen. Wannweil hat dabei besondere Probleme, weil es am Unterlauf der Echaz liegt. Wegen des Bevölkerungswachstums sollte der 68 Ar große Friedhof erweitert werden. Es sollen auch endlich Parkplätze für die Friedhofsbesucher angelegt werden. Anläßlich der Erweiterung der Johanneskirche wurde der Friedhof ium 1875 in das Gewann "Wüste" verlegt. Das war seinerzeit auch ein finanzieller Kraftakt für die Gemeinde . 1940 wurde unter Bürgermeister Zanzinger (Bürgermeister von 1932 bis 1942) die Leichenhalle errichtet mit dem berühmten Glasfenster. Sie ist 2011 weitgehend noch stilrein vorhanden. Um 1965 wurde die Aussegnungshalle erbaut. 2008 wurde wegen der schwierigen Bodenverhältnisse ein Grabkammernsystem geschaffen. So finden auch auf dem Friedhof ständig Veränderungen statt. Dazu tragen auch die Wandlungen des Zeitgeschmacks in der Sepulkralkultur bei. Der Mühlkanal bei der oberen Mühle wird endgültig aufgefüllt. Er hatte seit den 1830er Jahren seine Aufgabe erfüllt. Die langjährige Gemeindehelferin Martha Henes vermindert 1970 ihren Dienstauftrag, um ihre betagten Eltern pflegen zu können. Sie hat jahrzehntelang Kindergottesdienst gehalten. Im September 1970 gründet Frau Waltraud Lumpp, die seit 1968 im Gemeinderat tätig ist, einen Freundeskreis "Fröhliches Alter". Wenige Monate später sollte Frau Lumpp die Rundfunkjournalistin Rosemarie Eick einladen, welche Rundfunksendungen für die ältere Generation machte. Im Albverein werden geehrt: Willi Rilling für 50-jährige Mitgliedschaft, Schreinermeister Eugen Ott (1909 bis 1975) und Paul Reichert für 40 jährige Mitgliedschaft. Dabei wird auch das "Wannweiler Heimatlied" gesungen, welches 2011 nicht mehr im kollektiven Gedächtnis der Wannweiler ist. Die ev. Kirchengemeinde veranstaltet ein Woche der Besinnung. Zu den angesprochenen Themen gehören: Wer kümmert sich um die Wohnungen der Gastarbeiter oder die Leiden im Vietnamkrieg. 1970 wird auch die Kreisreform andiskutiert, die 1975 Realität wird. Wannweil fühlt sich nach Reutlingen zugehörig. So war das ja schon in der Zeit des Reutlinger Spitals ab 1350 und in der französischen Besatzungszeit ab April 1945 bis 1949. Der Wannweiler Gemeinderat strebt eine Verwaltungsgemeinschaft mit Kirchentellinsfurt an. Nach weniger schönen lokalpatriotischen Auseinandersetzungen wird das ab 1975 jedoch nicht weiter verfolgt. Die Jägerstraße soll verlängert werden. Im Volk wird das als "Arbeitsdienstweg" bezeichnet, was heute längst vergessen ist. Bürgermeister Zanzinger hatte schon 1932 den "Freiweiligen Arbeitsdienst mit der Anlage dieses Weges beauftragt und fotografisch dokumentiert. Die Umstellung auf Erdgas ist vollendet. Die 8 Tage währende Evangelisation der ev. Kirchengemeinde wird als Erfolg gewertet. Kritische Stimmen sind davon weniger überzeugt. Es waren aber jeden Abend über 300 Menschen da. Als Bariton tritt Hajo Mann (1940 bis 2004) auf. Der homöopathische Verein hat 43 Mitglieder.

Schreinermeister Karl Ott (1901 bis 1987) zeigt Farbdias vom Vereinsausflug ins Kloster Lorch. und vom Echazausbau. Diese Farbdias sollte sein Neffe Walter Ott 2007 beim "Bildertanz" in digitalisierter Form erneut der erstaunten Wannweiler Öffentlichkeit zeigen. Bis 1972 soll auch die Müllabfuhr "pro Eimer" erhöht werden. Der Musikverein erhält neue Uniformen im Wert von 3000.- DM. Wegen der Fülle der gemeindlichen Aufgaben wird ab 1971 eine Einwohnersteuer erhoben, wie das einige Nachbargemeinden auch schon tun. Argumentiert wird, daß die Lasten alle Bürger mittragen sollen, nicht nur Grundstücksbesitzer, Industrie, Handel und Gewerbe.

Die Einwohnersteuer und die Feuerwehrabgabe wurde um 1995 aus Gründen der Gleichbehandlung wieder abgeschafft. Dafür wurde die Grundsteuer erhöht. Im Jahre 1970 werden 47 Geburten, 28 Hochzeiten und 39 Sterbefälle verzeichnet. Die Einwohnerzahl beträgt 4556, davon 395 Ausländer. Außer in der Statistik werden die Ausländer kaum berücksichtigt, auf keinen Fall als gesellschaftliches Problem. In älteren, nicht modernisierten Häusern finden die Ausländern den billigen, von ihnen gewünschten Wohnraum. Es werden 20 Neubauten und 23 Umbauten genehmigt.

Botho Walldorf

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Zwei Korrekturen zu diesem Bericht: Der Dirigent des Gesangvereins war OSKAR Schaumburg und die Grabkammern auf dem Friedhof wurden nicht 2008 sondern früher (2001 ?) errichtet.
R.