Freitag, 30. August 2013

„Haus für Haus stirbt Dein zuhaus“



„Haus für Haus stirbt Dein zuhaus“

so könnte man es nennen, als am Samstagnachmittag, den 24. August 2013 zündelnde Kinder sich selbst und die traufständige Scheuer in der Dorfstraße 14 in Gefahr brachten.
Bereits in der folgenden Woche wurde die das Erscheinungsbild der Dorfstraße mit prägende Scheuer vom Bauunternehmen Stooß aus Gomadingen dem Erdboden gleich gemacht. Wegen des nahen Kindergartens sollten von dem auf der Rückseite verwahrlosten, in Gemeindebesitz befindlichen Gebäude keine Gefahr für Kinder mehr ausgehen. Insbesondere die dem Verfall preisgegebenen Schöpfe auf der Nordseite übten eine magische Anziehungskraft auf Kinder aus. Dort lag noch viel herum, was an frühere alltägliche landwirtschaftliche Tätigkeiten erinnerte: ein bemooster Holzpflug, enge Sausteigen, die man sich in der Zeit der Massentierhaltung nicht mehr vorstellen kann, ein hölzerner Schubkarren, der jetzt angesengt seiner Entsorgung harrt. 
Der vordere Teil der Scheuer Wurster wurde immer wieder instandgesetzt, um wenigstens Abstellzwecken dienen zu können. Der Westgiebel wurde in den 1950ern teilweise neu aufgebaut und verputzt, nachdem die mächtigen Fundamentbalken verfault waren. An der Südseite wurden die Scheunentore instandgehalten und eine Garage mit Kipptor eingebaut. Diese diente zuletzt der Traditions-Narrenzunft „Burghau-Goischter“ als Aufbewahrungsort ihrer immer umfangreicher werdenden Requisiten. Auch das Dach wurde teilweise „umgeschlagen“. Auf der Nordseite hatten sich handgefertigte Dachplatten, sowie „Reigärtenwänd“ mit Holzfachwerk aus der Erbauungszeit (geschätzt um 1700) der Scheuer erhalten. Die Nord- und Ostseite der Scheuer blieben von Erneuerungsmaßnahmen weitgehend ausgespart. So bot die Scheuer von hinten  bis zum Ende im August 2013 einen unverfälschten Eindruck einer Dorfansicht, wie der berühmte Maler Albrecht Dürer um 1520 zufällig ein Dorf gemalt hatte. Erinnert sei an das Flößerzeichen an einem Balken des Ostgiebels. 
Der Werdegang solcher Gebäude wiederholt sich immer wieder. Der  leicht zugängliche Südteil  wurde weiterhin instandgesetzt und überwacht, um Abstellzwecken zu dienen. Der schlecht zugängliche Nordtteil blieb sich selbst überlassen, die alten Gerätschaften verrotteten. Nur der Verfasser dieses Beitrags B. Walldorf nahm sich im März 2011 mal die Zeit, eine Foto-Dokumentation anzufertigen. Darüber sind wir nach dem gewaltsamen Ende der Scheuer Dorfstraße 14 froh, damit überhaupt noch etwas an das für die Geschichte Wannweils bedeutende Bauwerk erinnert. 
Natürlich ist die am Samstag, den 24. August 2013 abgebrannte Scheuer Dorfstraße 14 im Lagerbuch von 1711 als  Bestandteil einer der 15 Lehenshöfe genannt: Neunter Hof: 17 Mannsmahd Wiesen und 37 Jauchert Äcker, also rund 50 Morgen(Jakob Mayers Erben) .
Die Hofstätten waren die ursprünglichen Siedlungsplätze der heimischen besitzenden Einwohnerschaft. (Zitat: Mayer, 1960, Seite 120)
Der Abgang eines historischen Gebäudes ist auch für Wannweil immer ein Verlust. Nun ist eine weitere, unscheinbare Scheuer gewaltsam abgegangen. „Haus für Haus stirbt dein zuhaus“ war schon ein Slogan in den 1970er Jahren. Eingerahmt war die Scheuer des Hauses Wurster westlich vom legendären Trippelhaus Mayer, wo die Wannweiler schon 1972 vorgeschlagen hatten, ein „Heimatmuseum“ einzurichten. Dahinter befand sich eine weitere Fachwerkscheuer, von welcher derzeit keine Fotos bekannt sind. Niemand hat das alte Glump auch noch fotografiert. Seit 1973 werden diese Flächen als Parkplatz bzw. Kinderspielplatz genutzt.  An das weiter östlich ebenfalls in der Dorfstraße stehende ehemalige Schul- und Rathaus sei erinnert. Bildlich ist dieses in den Aquarellen von Gerhard Braun (geb. um 1922), überliefert. 
Natürlich war die Scheuer Wurster ein Wannweil-typisches Kulturdenkmal.
Kulturdenkmale sind nicht primär aufgrund ihres ästhetischen Wertes von Bedeutung, sondern als Zeugnisse der Ortsgeschichte, als materielle Überlieferung, die uns Aufschluss über das Leben und Wirken der in der Vergangenheit vermittelt. Es gibt nicht nur eine auf die „Glanzzeiten“ reduzierte Geschichte.
In diesem Sinne sind alle Geschichtszeugnisse problematisch, die nicht unseren heutigen Wertvorstellungen entsprechen. Dem Erben eines Bauernhofs, der selbst noch die schwere Arbeit, vielleicht sogar noch den täglichen Kampf seiner Eltern ums Überleben erlebt hat, und sich freut, heute ein anderes Leben führen zu können, sieht in einer Scheuer nicht zwingend ein erhaltenswertes Kulturgut. 
Üben Sie bitte Nachsicht, wenn manches Dargestellte nicht Ihrer Sicht entspricht oder gar fehlerhaft erscheint!

Botho Walldorf

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Näheres zum 9. Hof:

http://simonwolperth.blogspot.de/2009/05/wannweil-und-seine-15-lehenshofe-der-9.html?q=lehensh%C3%B6fe