Der Krankenpflegeverein Wannweil hatte unter seinem
Vorsitzenden Hauke Petersen nun schon mehrfach zu Zeitzeugengesprächen
eingeladen, die immer gut besucht waren. Erinnert sei an die Themen
„Weihnachten in schwerer Zeit“ im
Dezember 2011 und über die Spinnerei im Februar 2013.
Büchereileiterin Christina Ulmer-Trauner konnte eine
stattliche Anzahl Zuhörer begrüßen, unter ihnen Bürgermeisterin Rösch und
Pfarrer Gläser. Auch ein Vertreter des „Reutlinger Generalanzeigers“ war
anwesend. Herr Tillman Börner wird einen Bericht veröffentlichen, der nicht nur
als Print-Medium zur Verfügung steht, sondern im Online-Archiv des Reutlinger
Generalanzeigers auch in Zukunft nachlesbar bleiben wird. Klaus Skwierblies
sorgte für die Dokumentation als Film. Botho Walldorf beschreibt in diesem Blog
einige Einzelheiten aus den Berichten, die vielleicht anderswo nicht
veröffentlicht werden.
Herr Trojan, Jahrgang 1923 stammt aus Rastenburg in
Ostpreußen. Er war bei der Marine auf einer Art Schnellboot. Er verbrachte die
letzten Kriegsmonate in der „Festung“ La Rochelle. Vom Schiff weg wurden sie
zur Verteidigung dieser Festung eingesetzt. Die „Festung La Rochelle“ spielte
in der Propaganda des zu Ende gehenden Dritten Reiches eine große Rolle.
Deshalb war es interessant, noch einmal einen Zeitzeugen zu diesem selten
angesprochenen Thema zu hören.
Herr Trojan musste sich dann im Westen eine neue
Existenz aufbauen. Er sagte, dass er Glück hatte, seine Ausbildung als
Bankkaufmann noch in der Heimat abschließen zu können. Allerdings gestaltete
sich in der Nachkriegszeit die Stellensuche im Raum Ludwigsburg als schwierig.
Die Banken wollten die Stellen freihalten für ihre ehemaligen Mitarbeiter, die
sich noch in Kriegsgefangenschaft befanden. Mühselig fand er heraus, dass dies
der Hauptgrund seiner erfolglosen Stellensuche war.
Vor
wenigen Jahren musste Herr Trojan seiner Frau ins Grab schauen. Diese hatte im
seit 2005 bestehenden Gemeindepfleghaus Wannweil eine liebevolle Aufnahme
gefunden.
Frau Wöhr, Jahrgang 1924 war bisher als Zeitzeugin
nicht in Erscheinung getreten. Ihre Nachbarin Frau Bartsch, die bis 2004 auf
der Wannweiler Filiale der Kreissparkasse arbeitete, hatte sie dazu gebracht,
in diesem Rahmen in der Wannweiler Öffentlichkeit über ihre Erlebnisse
auszusagen.
Bis zum Luftangriff im August 1944 auf Königsberg
merkte die spätere Frau Wöhr vom Krieg recht wenig. Natürlich hatte sie im
Oktober 1944 von den schrecklichen Geschehnissen von Nemmersdorf gehört. Diese
waren ja von der NS-Propaganda besonders aufgebauscht worden. Auf verschiedenen
Schiffen gelangte Frau Wöhr über Pillau,
Neutief , sowie Fußmärsche auf der Nehrung über Hela schließlich nach
Kopenhagen. Dort sah sie und ihre Mutter den schweren Kreuzer „Prinz Eugen“.
Sie traf dort tatsächlich ihren Bruder, der dann auf der Prinz Eugen in
amerikanische Gefangenschaft gehen musste. Die „Prinz Eugen“ endete als
Bombenziel beim Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean. Bekanntlich war die „Prinz
Eugen“ im Mai 1941 ja Begleitschiff des Schlachtschiffes „Bismarck“, welches
zuvor das englische Schlachtschiff „Hood“ versenkt hatte. Frau Wöhr kam dann
nach vielen Irrwegen nach Degerschlacht. Frau Wöhr war da im heiratsfähigen
Alter. Von den „Flüchtlingsmädchen“ wusste jeder, dass sie nichts hatten. So
war manche Partie unerwünscht. In Wannweil baute sie dann mit ihrem inzwischen
verstorbenen Mann ein Eigenheim, wo sie noch heute wohnt.
Eine Zeitzeugin, Frau Barbara Hummel, Jahrgang 1929 konnte zu allen drei, bisher
in der Wannweiler Öffentlichkeit angesprochenen Themen Stellung nehmen. Frau
Hummel las vor, was sie handschriftlich verfasst hatte. Ihr Heimatort war
Sackelhausen im rumänischen Banat. Im Aug. 1944 verkündete der „Trommelmannn“,
dass sie ihren Heimatort am nächsten Morgen auf Befehl der Wehrmacht zu
verlassen hätten. Für die meisten „Donauschwaben“ bot Österreich zunächst
Schutz, bis die unmittelbaren Kriegshandlungen aufgehört hatten. Dann aber
musste die Familie versuchen, sich wirtschaftlich bei Bauern durchzuschlagen.
Wie bei zahlreichen Flüchtlingsschicksalen, bot die gute Beschäftigungslage der
Wannweiler Textilindustrie sofort Arbeitsplätze für einen Neuanfang.
Moderator Petersen meinte, dass entscheidend war, in
welchem Lebensalter sich die Heimatvertriebenen befanden, als sie das Schicksal
des Heimatverlustes traf. Am Schlimmsten war der Heimatverlust für die über
60-jährigen. Die etwa 30-jährigen konnten sich in der Wirtschaftswunderzeit am
ehesten eine neue Existenz aufbauen. Die Väter der Zeitzeugen waren für die
Teilnahme am Ersten Weltkrieg zu jung und im Zweiten Weltkrieg zu alt gewesen.
Deswegen wurden die meisten Väter für die OT (Organisation Todt)
zwangsrekrutiert.
Christian Keil, Jahrgang 1932, verbrachte seine
Kindheit im Ostteil der seit 1945 geteilten Stadt Görlitz. Herr Keil ist in
Wannweil bekannt als langjähriger SPD-Gemeinderat und Vorsitzender des
Krankenpflegevereins. Herr Keil hatte Glück, dass er Verwandtschaft in
Altshausen in Oberschwaben hatte. So hatte die Familie ein Ziel, wo sie hin
konnten. Als damals 14 jähriger lernte Keil schnell schwäbisch. Von dieser Zeit
ist übrig geblieben, dass er schwäbisch antwortet, wenn er auf schwäbisch
angesprochen wird. Er weiß aber die Situationen, wo es besser ist , hochdeutsch
zu sprechen.
Botho Walldorf, Jahrgang 1945 ist auf der Flucht
geboren. Er berichtete, wie heute in der polnischen Kleinstadt Mewe an der
Weichsel mit der deutschen bzw.
preußischen Vergangenheit umgegangen wird. Die Kaiserzeit wird als Zeit
wirtschaftlichen Wohlstandes angesehen. Damals entstanden Eisenbahn, Wasser-
und Stromversorgung , wovon die Kleinstadt auch 2013 noch profitiert. In der
heutigen Geschichtsschreibung wird objektiv berichtet, dass zahlreiche
öffentliche Gebäude von den „Preußen“ erbaut wurden. Mittelfristig gerät jedoch
in Vergessenheit, dass am Ort einmal Deutsche wohnten. Als zahlungskräftige
Touristen, welche die „Kreuzritterburg“ besichtigen wollen, sind die Deutschen
heute gerne gesehen. In der Schule ist zwar Englisch inzwischen die erste
Fremdsprache, aber wegen der angespannten Arbeitsmarktsituation wird wieder
gerne nach Deutschland geheiratet.
Ob die Heimatvertriebenen heute in Wannweil integriert
sind, darüber waren die anwesenden Zeitzeugen geteilter Meinung.
Verantwortlich
für diesen Beitrag: Botho Walldorf