Samstag, 11. Februar 2012

Als die Brücke in die Luft flog - Artikel im GEA Reutlingen vom 22.02.2012

Im Reutlinger Gerenralanzeige erscheint heute dieser Artikel über die gemeinsame Veranstaltung von Krankenpflegeverein, Bücherei und Wannweiler Bildertanzteam:

Zeitzeugen - Wannweiler erzählen von der Kriegs- und Besatzungszeit
Als die Brücke in die Luft flog

VON IRMGARD WALDERICH

WANNWEIL. Am 19. April 1945 flog die Wannweiler Eisenbahnbrücke in der Kusterdinger Straße in die Luft. Gesprengt von deutschen Wehrmacht-Soldaten. Der Befehl: Zerstörung aller Verkehrseinrichtungen. Die gewaltige Explosion hat sich in das Gedächtnis vieler Wannweiler gegraben. Dächer wurden abgedeckt, Fenster zersprangen, zentnerschwere Steine flogen durch die Luft. »Diese völlig unnötige Maßnahme verhinderte nicht die Einnahme Wannweils«, berichtet Walter Ott. Einen Tag später besetzten Franzosen mit rund 400 marokkanischen Soldaten Wannweil.

Geschichte, die in den Köpfen lebendig geblieben ist. Lotte Rein, Walter Kern, Oskar Schaumburg und Gerhard Hipp erinnern sich am Donnerstagabend in der Bücherei an Kriegs- und Nachkriegszeiten. Das Zeitzeugengespräch des Krankenpflegevereins moderiert Hauke Petersen. Botho Walldorf liefert Archivmaterial dazu. Büchereileiterin Christine Ulmer-Trauner und ihr Team haben alle Hände voll zu tun, um genügend Stühle für das große Publikum herbeizuschaffen.

Walter Kern hat viele seiner Kameraden im Krieg sterben sehen. Der 91-Jährige zählt seine Einsatzorte auf. Ein nüchternes Protokoll langer Gewaltmärsche: In Dänemark lief er nach Kopenhagen, später ging es von der Ukraine bis zum Kaukasus, danach Südfrankreich, Rückzug durch das gesamte Rhonetal. Fast wäre er zum Kriegsende erschossen worden. Amerikanische Soldaten retteten ihn. Mehrfach hat er später die Stelle seiner »zweiten Geburt« besucht.

Oskar Schaumburg und Gerhard Hipp wurden beide als 15-Jährige noch im Frühjahr 1945 eingezogen. Eine aberwitzige Aktion, die Schaumburg damals freudig mit seinen Kameraden antrat. Sie führte in nach München und wieder zurück. Über Augsburg und zu Fuß mit einem Handwagen ins völlig zerstörte Ulm. Er marschierte bis zur Erschöpfung auf den Gleisen nach Schelklingen, von dort ging es mit Zug und Bus wieder zurück ins heimische Wannweil. »Ich habe zunächst meine Stallhasen begrüßt«, erinnert sich Schaumburg. Ein Tag später flog die Wannweiler Brücke in die Luft. Der Aufforderung der französischen Besatzer, nach dem Tod eines französischen Soldaten sich zu melden, folgte er nicht. Er hatte Angst, erschossen zu werden, und versteckte sich 14 Tage lang mit seinem Freund im Wald.

Hühner für die Marokkaner
Auf dem Holzgaswagen kam Gerhard Hipp wieder in sein heimatliches Dorf zurück. Versteckt in der Scheune seines Großvaters sah er einige marokkanische Soldaten auf den Hof kommen und Hühner holen. »Sie haben das warme Blut der Hühner getrunken. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen.«

Auch Lotte Rein kann sich gut an die marokkanischen Soldaten erinnern. Wie sie kamen und sich auf zwei gebratene Hühner auf den elterlichen Hof einluden. Sie musste für die französischen »Gäste« den Most aus dem Keller holen. Lotte Rein erinnert sich aber auch an die Muna Haid. Dorthin wurde ihre gesamte Klasse der höheren Handelsschule Reutlingen 1944 geschickt. Sie musste in der Bombenproduktion arbeiten, zusammen mit russischen Kriegsgefangenen, mit denen sie kein Wort reden durfte.

Marokkaner in Wannweil. Das hat auch Helmut Grauer nie vergessen. Er meldet sich aus dem Publikum zu Wort und berichtet, wie brutal die Franzosen mit ihren marokkanischen Kameraden umgingen. »Sie wurden von den Offizieren gequält, mit Peitschen geschlagen und mit dem Gewehrkolben verprügelt.« Was ihnen selbst angetan wurde, gaben sie anschließend an ihre vielen Maultiere weiter.

Das Kriegsende - Befreiung oder Niederlage?, fragt Petersen zum Abschluss. Für Lotte Rein war es die Befreiung von Fliegeralarm und Bombardierungen. Die beiden ehemaligen Hitlerjungen haben erst später gelernt, dass sie befreit wurden. Jetzt nimmt Gerhard Hipp seinen französischen Freund in den Arm und verspricht ihm: »Nie mehr werden wir gegeneinander schießen.« (GEA)

Bothos Stuhl



In früheren Zeiten, als das neue Rathaus noch nicht gebaut war, war das der Sessel des Bürgermeisters. In ihm leiteten schon Anette Rösch und deren Vorgänger Rüdiger Scherret die Gemeinderatssitzungen. Das alte Rathauses wurde 1996 abgebrochen.

Der alte Sitzungstisch sowie ein Teil der alten Ratsstühle stehen nun im Archiv, in dem unser Botho Walldorf ehrenamtlich arbeitet.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Wannweiler Geschichte(n) - Zeitzeugen erzählen heute von ihren Erlebnissen in der Kriegs- und Nachkriegszeit

Wannweiler Zeitzeugen berichten in einer gemeinsamen Veranstaltung von Krankenpflegeverein, Gemeindebücherei und Wannweiler Bildertanzteam über diese spannungsreichen Tage und die schwierigen Jahre der Nachkriegszeit bis zur Währungsreform.

Donnerstag, den 9. Februar 2012, 18 Uhr, in der Gemeindebücherei Wannweil.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Vom "Honoratiorenclub" zum politischen Gremium, Teil 3

Die von Frau Doris Scherret im Jahre 2001 für das Ludwig-Uhland Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen erstellte Zwischenprüfungsarbeit "Vom Honoratiorenclub zum politischen Gremium" hat sich als wichtige Quelle zum Verständnis der Geschichte Wannweils erwiesen. Hier ein Auszug ab Seite 7 Unter anderem interessiert die Zwischenkriegszeit in Wannweil, weil am Do , den 9. Feb. 2012 ein weiteres Zeitzeugengespräch in der Gemeindebücherei geplant ist. Deshalb wird dieser Erläuterungstext in den Blog gestellt.

Thema: Wannweil vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg
"Der Erste Weltkrieg traf auch Wannweil hart. 43 Gefallene gab es zu beklagen und die Gemeinde mußte zur Erfüllung des Versailler Vertrages eine Kuh und ein Rind abliefern. Trotzdem wurde der Ort auch vom Schwung der 1920er Jahre erfaßt. 1921 entstand der Sportverein, der 1927 seinen Fußballplatz in der Jahnstraße einweihte und 1926 der Obst-und Gartenbauverein. 1923 konnte endlich die Ortswassserleitung gebaut werden und 1924 richtete Oberlehrer Saur die Gemeindebücherei ein.

Unter dem nationalsozialistischen Bürgermeister Zanziger (gewählt 1932) wurde 1936 das Gemeindehaus gebaut, sowie eine Leichenhalle im Zuge der Friedhofserweiterung (1939).Der erste Umbau des Rathauses fällt ebenso in diese Zeit wie die Einrichtung eines Kindergartens. Die Bevölkerung war inzwischen auf 2019 Personen angewachsen. Die im Ort vorhandenen Arbeitsplätze reichten längst nicht mehr aus. Die Kreisbeschreibung nennt die Zahl von 485 Auspendlern. Trotzdem wurde in nahezu jedem Haus Landwirtschaft betrieben, wobei die bewirtschaftete Fläche teilweise verschwindend gering war. Aber Wannweil behielt dadurch seinen ländlichen Charakter, wie Fotografien aus den 1920er und 1930er Jahren belegen. Ältere Frauen trugen im Alltag noch die angestammte Werktagstracht und zu besonderen Vereins- und Kirchenfesten wurde von zahlreichen Frauen und Männern die Traditionstracht getragen, die sich nur in wenigen Details von der berühmten Betzinger Tracht unterscheidetund für deren Pflege der Musikverein bis heute Sorge trägt"


Der Auszug wurde im Feb. 2012 von B. Walldorf erfasst.

Dienstag, 7. Februar 2012

Vom "Honoratiorenclub" zum politischen Gremium, Teil 2

Die von Frau Doris Scherret im Jahre 2001 für das Ludwig-Uhland Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen erstellte Zwischenprüfungsarbeit "Vom Honoratiorenclub zum politischen Gremium" hat sich als wichtige Quelle zum Verständnis der Geschichte Wannweils erwiesen . Sie ist auch im Gemeindearchiv Wannweil und im Kreisarchiv Reutlingen vorhanden. Hier ein Auszug ab Seite 23. Derzeit interessiert besonders die Nachkriegsgeschichte Wannweils, weil am Do , den 9. Feb. 2012 ein weiteres Zeitzeugengespräch in der Gemeindebücherei geplant ist.

Thema: Von der Wahl des Gemeinderates vom 14. Nov. 1948
"Im Mai 1945 wurde Wannweil bekanntlich mit weiteren Reutlinger Vororten nach Reutlingen eingemeindet. Mit dem Protokollauszug vom 29.Nov. 1948 beginnt die Nachkriegsgeschichte der Gemeinde Wannweil - und ihres Gemeinderats.
Nach dem Gesetz über die Neubildung von Gemeinden im Kreis Reutlingen und über die Erfüllung kommunaler Aufgaben in Nachbargemeinden der Stadt Reutlingen vom 11. Oktober 1948 (Reg. Blatt Seite 130) ist der bisherige Vorort Wannweil mit Wirkung vom 1. November 1948 aus der Stadt Reutlingen ausgegliedert und als Gemeinde Wannweil neu gebildet worden. Durch die Wahl vom 14. Nov. 1948 sind folgende Bürger zu Mitgliedern des Gemeinderats gewählt worden:

Walker, Gottlob, Maurermeister
Walz Christian, ,Landwirt
Gaiser Ernst,Sattlermeister
Kern, Karl, Autolackierer
Mayer, Gottlob, Landwirt
Hafner, Wilhelm, Gipser
Hipp, Martin, Kassenbote
Brucklacher, Erwin, Heizer
Kern Wilhelm, Kalkulator
Welsch, Fritz, Mechaniker

Bei allen Gewählten handelt es sich um gebürtige Wannweiler, teilweise aus alteingesessenen Familien, im Alter von 45 bis 55 Jahren. Sie waren durch das Dritte Reich nicht belastet, im Gegenteil, von zweien sagt man, sie wären vor 1933 der kommunistischen Partei nachgestanden. Man weiß, daß in der Zeit der Weimarer Republik der recht einflußreiche Sportverein sozialdemokratisch dominiert wurde und der Turnverein, der übrigens keine Neugründung nach dem Krieg erfuhr, kommunistische Tendenzen aufwies. Obwohl die Reorganisation der Vereine nach dem Zweiten Weltkrieg völlig unpolitisch war, spielte die Mitgliedschaft und eine eventuelle Funktionärstätigkeit, - vor allem im Sportverein - bei der ersten Nachkriegswahl in Wannweil sicher eine große Rolle. Wichtig war bestimmt auch, daß vier der Neugewählten bereits Mitglieder des vormaligen Ortschaftsrates gewesen waren und zwar: Erwin Brucklacher, Wilhelm Hafner, Wilhelm Kern und Gottlob Mayer. Mehr Informationen ließen sich nicht finden ".


Soweit der Auszug aus der Arbeit von Doris Scherret von 2001, erfasst von B. Walldorf im Februar 2012.

Sonntag, 5. Februar 2012

Wannweiler Geschichte(n) - Zeitzeugen erzählen von ihren Erlebnissen in der Kriegs- und Nachkriegszeit

19. April 1945, 16.30 Uhr: die Eisenbahnbrücke in Wannweil fliegt in die Luft, von deutschen Pionieren gesprengt. Viele Häuser werden zerstört, Schienstücke von 1 Meter Länge fliegen bis auf die Höhe der Gärtnerei Hespeler. Am nächsten Tag ist die örtliche Volkssturmführung mutig genug, auf eine Verteidigung zu verzichten, so können die Franzosen kampflos einmarschieren, im Gegensatz zu Betzingen, wo es noch zu schweren Kampfhandlungen kommt. Es beginnt die Besatzungszeit, eine marokkanische Einheit mit 3-400 Mann und einigen hundert Mauleseln marschiert ein und bleibt bis zum Frühjahr 1946...

Wannweiler Zeitzeugen berichten in einer gemeinsamen Veranstaltung von Krankenpflegeverein, Gemeindebücherei und Wannweiler Bildertanzteam über diese spannungsreichen Tage und die schwierigen Jahre der Nachkriegszeit bis zur Währungsreform.

Donnerstag, den 9. Februar, 18 Uhr, in der Gemeindebücherei Wannweil.

Besonders junge Wannweiler sind herzlich eingeladen, bei dieser einmaligen Gelegenheit etwas über diese Schicksalsjahre ihres Heimortes zu erfahren.
Die Veranstalter würden sich sehr freuen, wenn ältere Wannweiler, die diese Zeit noch miterlebt haben, in einem anschließenden Rundgespräch ihre eigenen Erfahrungen mit einbringen könnten.



Bildunterschrift:
Mitten auf der Hauptstraße, vor der Einfahrt zur Spinnerei, empfängt der kommisarische Bürgermeister Walker 1945 General Monsabert. Ein Trachtenpaar und ein Trachtenpärchen bilden die Wannweiler Delegation.