Von der Begegnung am Mittwoch der ev. Kirchengemeinde
Wannweil
am Mittwoch den 23. Okt. 2013
Aufgaben und Geschichte der Bahnhofsmission, insbesondere
Tübingen.
Jeden letzten Mittwoch im Monat nehmen Senior/innen das
Angebot der evangelischen Kirchengemeinde St. Johannes der Täufer wahr, sich zu
einem Thema im 1987 erbauten Martin-Luther-Haus zu treffen. Der Ablauf ist
immer derselbe.
Frau Reiff sucht die Referenten für das Programm aus, Frau
Kettner eröffnete die Veranstaltung mit einem Herbstgedicht. Eberhard Gläser
(geb. 1953, seit 2003 der 53. nachreformatorische Pfarrer von Wannweil) hält
eine Andacht, passend zum Thema des Nachmittags. In seiner beeindruckenden
Andacht ging Gläser darauf ein, dass der Apostel Paulus noch nicht mit der Bahn
reisen konnte, wohl aber mit dem Schiff. Bahnhöfe sind Orte des Ankommens und
Wegfahrens , also der Unruhe. Aber mit Gott ist überall zu rechnen.
Nach dem Singen eines Kanons wurden im Oktober folgende
Geburtstagsjubilare geehrt:
Frau Scheck, 87 Jahre , alteingesessene Wannweilerin,
Elsbeth Klein, 79 Jahre, Marianne Steinle 83 Jahre und Ilse Nagel, im 84.
Lebensjahr stehend. Dann wurde das Wunschlied der Geburtstagskinder gesungen.
Dann bestand an den 4 vollständig besetzten Tischen
ausgiebig Gelegenheit zum Kaffeetrinken
und dem gemeinsamen Gespräch.
Inzwischen waren die Referentinnen des Nachmittags ,
die studierte Volkskundlerin (Empirische
Kulturwissenschaft, bei Prof Utz Jeggle 1941 bis2010) Sylvia Takacz und Daniela Stumpe
eingetroffen. Wie heute üblich gab es Probleme mit den Laptop, aber Pfarrer
Gläser konnte diese Probleme souverän lösen.
Zunächst stellte die Referentin die Frage, wer schon etwas
mit der Bahnhofsmission zu tun hatte.
Die einen hatten als Kinder die Reisebegleitung in Anspruch genommen, anderen wurde
tatsächlich eine Übernachtungsmöglichkeit geboten.
Frau Takacz stellte zunächst die Bahnhofsmission Tübingen
vor. Was angeboten wird, hängt von eingeworbenen Spenden ab. Zu den Sponsoren
gehört auch die Stadt Tübingen und die Deutsche Bah selbst, welche kostenlos
den Raum im ehemaligen königlichen Wartesaalgebäude zur Verfügung stellt.
Insgesamt 43 ehrenamtliche Personen aller Altersgruppen sorgen dafür, dass die
Bahnhofsmission Tübingen die Kontaktzeiten von 9 Uhr bis 17 Uhr besetzt halten
kann. Unter dem Namen „Nachtcafe“ sind auch längere Öffnungszeiten von
Mittwochs bis Sonntags bis 22 Uhr möglich. Im Rahmen der niederschwelligen
Sozialarbeit finanziert die Stadt Tübingen diese Öffnungszeiten. Zum
Aufgabenbereich der Bahnhofsmission gehören auch Rundgänge auf dem Tübinger
Bahnhof. Dem geschulten Auge der Ehrenamtlichen entgehen keine auffälligen
Personen. Ihnen wird dann Hilfe vermittelt. Seit 1997 ist auch die
Hohenzollerische Landesbahn (HzL) mit zahlreichen Zügen in Tübingen präsent.
Deren Mitarbeiter zeichnen sich durch besondere Freundlichkeit aus.
Unkompliziert werden die in fast jedem „Regio-Shuttle“ mitgeführten
Mobilitätshilfen gerne bereitgestellt. Gestrandeten Reisende wird auch auf
Dienstfahrten das Weiterkommen ermöglicht.
Vorrausschauende und tätige Mithilfe sind Selbstverständlichkeiten bei
den Landesbahnern, die meistens aus der Region stammen.
Die Bahnhofsmission wurde 1894 vom ev. Pfarrer Johannes Burckhart in Berlin gegründet. Es entwickelte sich eine
evangelische , katholische und jüdische Bahnhofsmission, wie Frau Takacz auf
zeitgenössischen Plakaten nachwies. 1909 drängte die Bahn auf
Vereinheitlichung, um nicht zu viele Schilder auf den Bahnhöfen zu haben. Der
Kaiserin Auguste Viktoria (1858 bis 1921, reg. 1888 bis 1918) lag die
Bahnhofsmission am Herzen, besonders in Ersten Weltkrieg. An den sogenannten
„Ziehtagen“ der Dienstboten (Lichtmess 2. Feb. und Michalis 29. Sept) war auf
den Bahnhöfen besonders viel los. Während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft
wurde die Bahnhofsmission ab 1939 durch die Nationalsozialistische
Volkswohlfahrt (NSV) gleichgeschaltet.
Aber auch in den Menschenbewegungen der Bonner Republik
(1949 bis 1990) war die Bahnhofsmission segenreich tätig. Waren das Ende der
1940er Jahre die Heimatvertriebenen, ab Mitte der 1950er der als „Gastarbeiter“
bezeichnete Personenkreis . In den 1980er Jahren hatte die Einrichtung der
Tübinger Landesstelle für Aussiedler und Asylbewerber erhöhten Betreuungsbedarf
in der Bahnhofsmission zur Folge. Heute kann jeder Reisende der Gesprächsbedarf
hat , auf geduldige Zuhörer hoffen, was auch oft in Anspruch genommen wird. Mit
dazu gehört die Vermittlung ins soziale
Hilfssystem von Tübingen. Eine telefonische Standleitung zur Polizei gehört
auch zur Bahnhofsmission. Mithilfe beim Fahrkartenkauf und kostenloses Angebot
von Essbarem in kleinen Mengen wird auch gewährt. Jeder Tag verläuft anders.
Was von Bahnhofsmission angeboten wird,
hängt von den finanziellen Möglichkeiten in der jeweiligen Stadt ab. In
Reutlingen gibt es deshalb keine Bahnhofsmission, wohl aber am Umsteigebahnhof
Aulendorf. Die Mitarbeiter erhalten ein Supervisionsangebot, was wiederum von
erfolgreicher Spendeneinwerbung (neudeutsch „Fundraising“) abhängig ist.
Auf den Hinweis, dass die Tübinger Bahnhofsmission schwierig
zu finde sei, meinte die Referentin , dass die Bahn ihre Werbeflächen vermietet
und dann wenig Platz für das „Icon“ der Bahnhofsmission sei. Insgesamt sei die
Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn gut, welche auch die laufenden
Betriebskosten der Bahnhofsmission Tübingen übernehmen. Ein moderner Service
der immer mehr in Anspruch genommen wird, heißt „Kids on Tour“. An den
Wochenenden sind zahlreiche Kinder auf dem Weg zum anderen Elternteil. 30 Eur
kostet das. So ändern sich auch die Aufgaben der Bahnhofsmission in einer sich
ändernden Welt.
Die nächste „Begegnung am Mittwoch“ findet am 27. November
2013 statt im Martin-Luther_Haus in Wannweil. Es ist die letzte Veranstaltung
im Jahr 2013. Eine Adventsfeier wird angeboten.
Verantwortlich für den Blogbeitrag: Botho Walldorf
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