Der zertifizierte Wanderführer Gerhard Fundinger
(Jahrgang 1949) hatte das Felsenstädtchen Haigerloch als Wanderziel ausgewählt.
19 Wannweiler folgten seiner Einladung. Nach kurzer Fahrt mit Privatautos war
der Ausgangspunkt, der Parkplatz Schlossfeld auf der Hochfläche vor Haigerloch
erreicht.
Die meisten kannten den Neubau der Verwaltungsschule
Haigerloch nicht, wo seit Jahrzehnten die Bürgermeister der Zukunft ausgebildet
werden. Der Kapffelsen bot einen schönen Überblick über die Oberstadt und die
Unterstadt von Haigerloch. Auf dem Betriebsgelände der wohlbekannten
Haigerlocher Schlossbräu herrscht seit 2010 gähnende Leere. Weiterhin
beeindruckend ist das Haus der Weißen Väter, wo heute nur noch pensionierte
katholische Missionare wohnen. Noch in den 1950er Jahren war das Internat der
Weißen Väter in Haigerloch von großer Bedeutung für die Schuljugend
Hohenzollerns, welche eine höhere Schule besuchen wollten. Mit dem Ausbau des
Bildungswesens in den einzelnen Orten nahm die Bedeutung der Internate ab.
Durch das Eyachtal ging es vorbei an den noch funktionsfähigen Teilen des
Mühlkanals der Schlossmühle. Sperrfallen und Rechenputzanlage hatten schon mal
bessere Zeiten gesehen. Der jüdische Friedhof ist ein drucksvolles Objekt
jüdischer Sepulkralkultur mit Grabsteinen aus verschiedenen Epochen.
Bekanntlich hatten die unter ständiger Geldnot leidenden katholischen Fürsten
von Hohenzollern-Hechingen um 1650 die Juden gegen die Zahlung von
Schutzgeld in Haigerloch angesiedelt.
Wieder auf der Höhe angekommen, war das Ziel die
1863 „aus mildtätigen Gaben“ errichtete evangelische Kirche. Das Bauwerk gehörte zur „Königlichen
Landeskirche der Altpreußischen Union“. Erst 1950 erfolgte nach der Auflösung
Preußens die Eingliederung in die Württembergische Landeskirche. Der Sakralbau trägt seit
wenigen Jahren den Namen
„Abendmahlskirche“. Als Hohenzollern 1850 als Folge der Revolution von 1848 den
Preußen übertragen wurde, schickten diese fähige Leute auf die Suche nach
Bodenschätzen in der zugefallenen Provinz. Wilhelm Raiffeisen, ein Bruder des
Genossenschaftlers, suchte nach Kohlen, fand aber Steinsalz. Das Salzwerk
Stetten ist bis heute mit 60 Arbeitsplätzen einer der bedeutendsten Arbeitgeber
der Region geblieben. Nebenbei baute Raiffeisen die evangelische Kirche, die
durch den Zuzug preußischer Beamter immer bedeutender wurde. 1952 erfüllte sich
der aus Düsseldorf durch die Kriegswirren nach Haigerloch verschlagener Kunstmaler
Schüz einen Lebenstraum: In der evangelischen Kirche in Haigerloch hatte er
eine Fläche gefunden, wo er das berühmte Abendmahlsbild von Leonardo da Vinci
in Originalgröße kopieren konnte.
Das „Anna-Wegle“ hinab mussten 1941 und 1942 auch
die Haigerlocher Juden zum Bahnhof
gehen, als ihnen vorgemacht wurde, dass sie „auf einem Rittergut im Osten“
angesiedelt werden würden. Nachdem die Juden im heute noch vorhandenen
Wartesaal nach Wertsuchen abgesucht wurden, mussten sie unter Bewachung einen planmäßigen Personenzug
der Hohenzollerischen Landesbahn besteigen, der von einer Haigerlocher Dampflok
gezogen wurde. Nur wenige kehrten nach Kriegsende zurück. Sie berichteten in
Gerichtsprozessen, was ihnen angetan wurde.
Im Atomkeller-Museum, welches seit 1970 von der
Stadt Haigerloch betrieben wird, erfuhren die Wannweiler von einem kompetenten
Führer von den Forschungsbedingungen des Physikers Heisenberg und seinen
Kollegen in den letzten Kriegsmonaten in Haigerloch. Ferner wurden sie auch
über den mutigen Einsatz des aus
Kettenacker bei Gammertingen stammenden Pfarrers Marquard Gulde (Lebenszeit
1905 bis 1992) informiert, welcher im April 1945 die Zerstörung der
barockisierten Schlosskirche verhinderte.
Erstaunt waren die Wannweiler, dass die Haigerlocher nur eine einzige Traditions-Narrenzunft, aber
mit eigenem Haus besitzen. Auch für den bedeutenden Maler der Gegenwart, Hurm,
wurde die ehemalige Ölmühle als Ausstellungshaus hergerichtet. Im barocken
Pfarrhaus wird das Gedenken an das
Malergeschlecht der Schüz wachgehalten. Eine Vitrine erinnert mit Priesterkelch
und Stola an den bereits genannten Stadtpfarrer und Jubelpriester Monsignore
Marquard Gulde.
Über Treppen hinauf ging es zum Ausgangspunkt
zurück. Die Abendeinkehr fand im Gasthof „Lamm“ in Stein statt, welches
Wanderführer Gerhard Fundinger noch von seiner Berufstätigkeit her empfahl.
Mit der obligatorischen, eigenhändigen Eintragung
der Teilnehmer in das „Wanderbüchle“
endete dieser erlebnisreiche Wander-Nachmittag.
Botho Walldorf
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