Dienstag, 26. November 2013

Wanderung in und um das Felsenstädtchen Haigerloch mit der Gruppe 60Plus des Albvereins Wannweil.







Der zertifizierte Wanderführer Gerhard Fundinger (Jahrgang 1949) hatte das Felsenstädtchen Haigerloch als Wanderziel ausgewählt. 19 Wannweiler folgten seiner Einladung. Nach kurzer Fahrt mit Privatautos war der Ausgangspunkt, der Parkplatz Schlossfeld auf der Hochfläche vor Haigerloch erreicht. 
 
Die meisten kannten den Neubau der Verwaltungsschule Haigerloch nicht, wo seit Jahrzehnten die Bürgermeister der Zukunft ausgebildet werden. Der Kapffelsen bot einen schönen Überblick über die Oberstadt und die Unterstadt von Haigerloch. Auf dem Betriebsgelände der wohlbekannten Haigerlocher Schlossbräu herrscht seit 2010 gähnende Leere. Weiterhin beeindruckend ist das Haus der Weißen Väter, wo heute nur noch pensionierte katholische Missionare wohnen. Noch in den 1950er Jahren war das Internat der Weißen Väter in Haigerloch von großer Bedeutung für die Schuljugend Hohenzollerns, welche eine höhere Schule besuchen wollten. Mit dem Ausbau des Bildungswesens in den einzelnen Orten nahm die Bedeutung der Internate ab. Durch das Eyachtal ging es vorbei an den noch funktionsfähigen Teilen des Mühlkanals der Schlossmühle. Sperrfallen und Rechenputzanlage hatten schon mal bessere Zeiten gesehen. Der jüdische Friedhof ist ein drucksvolles Objekt jüdischer Sepulkralkultur mit Grabsteinen aus verschiedenen Epochen. Bekanntlich hatten die unter ständiger Geldnot leidenden katholischen Fürsten von Hohenzollern-Hechingen um 1650 die Juden gegen die Zahlung von Schutzgeld  in Haigerloch angesiedelt. 

Wieder auf der Höhe angekommen, war das Ziel die 1863 „aus mildtätigen Gaben“ errichtete evangelische Kirche.  Das Bauwerk gehörte zur „Königlichen Landeskirche der Altpreußischen Union“. Erst 1950 erfolgte nach der Auflösung Preußens die Eingliederung in die Württembergische  Landeskirche. Der Sakralbau trägt seit wenigen  Jahren den Namen „Abendmahlskirche“. Als Hohenzollern 1850 als Folge der Revolution von 1848 den Preußen übertragen wurde, schickten diese fähige Leute auf die Suche nach Bodenschätzen in der zugefallenen Provinz. Wilhelm Raiffeisen, ein Bruder des Genossenschaftlers, suchte nach Kohlen, fand aber Steinsalz. Das Salzwerk Stetten ist bis heute mit 60 Arbeitsplätzen einer der bedeutendsten Arbeitgeber der Region geblieben. Nebenbei baute Raiffeisen die evangelische Kirche, die durch den Zuzug preußischer Beamter immer bedeutender wurde. 1952 erfüllte sich der aus Düsseldorf durch die Kriegswirren nach Haigerloch verschlagener Kunstmaler Schüz einen Lebenstraum: In der evangelischen Kirche in Haigerloch hatte er eine Fläche gefunden, wo er das berühmte Abendmahlsbild von Leonardo da Vinci in Originalgröße kopieren konnte. 

Das „Anna-Wegle“ hinab mussten 1941 und 1942 auch die Haigerlocher Juden  zum Bahnhof gehen, als ihnen vorgemacht wurde, dass sie „auf einem Rittergut im Osten“ angesiedelt werden würden. Nachdem die Juden im heute noch vorhandenen Wartesaal nach Wertsuchen abgesucht wurden, mussten sie  unter Bewachung einen planmäßigen Personenzug der Hohenzollerischen Landesbahn besteigen, der von einer Haigerlocher Dampflok gezogen wurde. Nur wenige kehrten nach Kriegsende zurück. Sie berichteten in Gerichtsprozessen, was ihnen angetan wurde. 

Im Atomkeller-Museum, welches seit 1970 von der Stadt Haigerloch betrieben wird, erfuhren die Wannweiler von einem kompetenten Führer von den Forschungsbedingungen des Physikers Heisenberg und seinen Kollegen in den letzten Kriegsmonaten in Haigerloch. Ferner wurden sie auch über den  mutigen Einsatz des aus Kettenacker bei Gammertingen stammenden Pfarrers Marquard Gulde (Lebenszeit 1905 bis 1992) informiert, welcher im April 1945 die Zerstörung der barockisierten Schlosskirche verhinderte.  Erstaunt waren die Wannweiler, dass die Haigerlocher  nur eine einzige Traditions-Narrenzunft, aber mit eigenem Haus besitzen. Auch für den bedeutenden Maler der Gegenwart, Hurm, wurde die ehemalige Ölmühle als Ausstellungshaus hergerichtet. Im barocken Pfarrhaus  wird das Gedenken an das Malergeschlecht der Schüz wachgehalten. Eine Vitrine erinnert mit Priesterkelch und Stola an den bereits genannten Stadtpfarrer und Jubelpriester  Monsignore  Marquard  Gulde.

Über Treppen hinauf ging es zum Ausgangspunkt zurück. Die Abendeinkehr fand im Gasthof „Lamm“ in Stein statt, welches Wanderführer Gerhard Fundinger noch von seiner Berufstätigkeit her empfahl. 

Mit der obligatorischen, eigenhändigen Eintragung der Teilnehmer in das   „Wanderbüchle“ endete dieser erlebnisreiche Wander-Nachmittag.

Botho Walldorf

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