Zeitzeugen erzählten, wie
sie in den 1960er Jahren als „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen und hier
eine neue Heimat fanden“. Zeitzeuge 4 von insgesamt 4 interviewten ausländischen Mitbürgern.
Zu
dieser bestens besuchten Veranstaltung am Donnerstag, den 7. November 2013
hatten die Gemeindebücherei, der Krankenpflegeverein eingeladen in
Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis interkulturelle Begegnung und dem
Wannweiler BILDERTANZ .
Weil
der Amateurhistoriker B. Walldorf die dabei zur Sprache gekommenen Aussagen als
bedeutsam einstuft, werden sie hier protokolliert. Digitale Film- und
Tonaufnahmen liegen auch vor, aber für die Zukunft überlebt schriftlich
Festgehaltenes am ehesten.
H. Petersen erinnerte daran, dass er durch den
Krankenpflegeverein in Kontakt mit älteren Menschen gekommen sei. Der
Krankenpflegeverein war Mitte der 1970er Jahre gegründet worden als Ersatz für
die früheren Gemeindekrankenschwestern. Seit 1995 gibt es die Pflegeversicherung.
Damit einher kamen die zahlreichen privaten ambulanten Hilfsdienste auf, sodass
der Krankenpflegeverein etwas an Bedeutung verlor.
Zur
Kontaktaufnahme bei den türkischen Mitbürgern trug vor allem Ladenbesitzer Dikme
aus der Dorfstraße bei.
In
Wannweil waren um 1990 mit 12 % Ausländern der Höchststand erreicht.
Gegenwärtig sind es mit 500 Ausländern etwa 10 % der Wohnbevölkerung.
Die
„special guests“ waren am 7. November
2013 4 Gastarbeiter: eine Italienerin und drei Türken.
Als
letzter Bericht dieses Zeitzeugenabends hatte Abdullah Sezgin das
Wort-
Interview
ergänzt durch persönliche Befragung durch B. Walldorf am Sonntag, den 10.
November 2013 vor seinem Hause in der Griesstraße 23.
Abdullah
Sezgin,
Jahrgang 1954, kam als junger Mann über Gelegenheitsjobs in Reutlingen und den
Daimler in Sindelfingen in die Marienstraße nach Wannweil.
Über die Rolle, welche „der Daimler“ in der deutschen Geschichte ab dem
Kaiserreich bis zur derzeitigen Berliner Republik spielt, sind sich nur wenige
Menschen im Klaren. In Wannweil hatte der Daimler in den Jahren 1943 bis 1945
ebenfalls ein unrühmliches Zwischenspiel gegeben.
A. Sezgin hatte fünf Jahre nur die türkische Schule
besucht. Zum ersten Vorstellungsgespräch ging er mit seinem Vater. Da hat er
nichts verstanden.
A.
Sezgin fand
mit seiner jungen Familie in der herzlichen Nachbarschaft in Wannweil ein neues
Zuhause. Seine Frau fing an, in der Spinnerei zu arbeiten. Zusammen mit seinen
drei Söhnen hat er 2011 in der
Griesstraße 23 ein Haus gebaut.
Vor zwei Jahren haben sie ein altes, traufständiges
quergeteiltes gestelztes Eindachhaus in der Wannweiler Griesstraße erworben und
abgebrochen. Dass in der Griesstraße einmal bis 1948 der Firstbach seinen Lauf
hatte, kann man immer weniger „in situ“ – also an Ort und Stelle – feststellen.
Dort hat die Großfamilie einen zweistöckigen Neubau hingestellt, wo Schwager
Kinder und Enkel Platz haben. Es wurden zahlreiche Fliesen verwendet als
Bodenbelag, wie es in der Türkei üblich ist. Insgesamt wohnen vier Familien
darin. Es bietet 3 Söhnen und 4 Enkeln ein Heim. Ein weiterer Enkel ist
unterwegs. Eine Einliegerwohnung ist an einen Deutschen vermietet. A. Sezgin
bekennt: „Ich habe mich hier nie als Ausländer gefühlt“. Das war nicht immer
so: Bei der ersten Rückreise in die Türkei hatte er darauf bestanden, sein
Einreisevisum ungültig zu stempeln. Er sollte ja nicht mehr auf die Idee
kommen, wieder nach Deutschland zu gehen. A. Sezgin stammt aus der Stadt
Boulou , die zwischen Ankara und Instanbul gelegen ist. Mit seinem Vater kam er
im Flugzeug 1970 nach Deutschland. Der schaffte auch schon beim Daimler. A.
Sezgin heiratete bereits mit 16 Jahren. Seine erste Firma war der Maler
Anton Geiselhart. Der kündigte ihm, weil er wegen seiner Hochzeit seinen Urlaub eigenmächtig verlängerte. Aber
beim Geiselhart hat es ihm ohnehin nicht gefallen, meinte A. Sezgin rückblickend.
Zur Ableistung der Militärzeit ging A. Sezgin zurück in die Türkei für
20 Monate. Heute besteht der Wehrdienst auch dort nur noch aus 12 Monaten. Als er in der Türkei keine
Arbeit fand, rief er einfach seinen Chef an, dessen Telefonnummer er noch
hatte. Abdullah Sezgin kam 1976 nach Wannweil. Die Ehefrau fing 1980 in
der Spinnerei an. Als er zum erstenMal
das Fernsehen sah, beeindruckte ihn der „Mann in der Kiste“. Später sorgte der
Elektromeister Steinlen dafür, dass er das türkische Fernsehen empfangen
konnte. 2013 sind das alles keine
Probleme mehr. Der erste Wohnsitz war in der Jakobstraße 1 neben dem Raumausstatter
Nedele. Dann folgte die Marienstraße 86. Vor dem Bezug des Eigenheims in der
Griesstraße 23 im Jahre 2012 wohnte A. Sezgin mit seiner Familie im
eigenen Altbau in der benachbarten Eisenbahnstraße 23.
Abdullah
Sezgin
arbeitete von 1979 bis 2008 beim Daimler und ging mit 63 Jahren in Rente. Zuerst
kam er sich dort wie im Gefängnis vor. 1984 wurde er zum Vertrauensmann
gewählt.
Dabei
lernte er zahlreiche Konflikte am Arbeitsplatz kennen. Sein 1987 geborener Sohn
hat beim Daimler eine Lehre gemacht und wurde in ein unbefristetes
Arbeitsverhältnis übernommen. Ein anderer Sohn arbeitet bei Bosch. A.Sezgin
kam auf alle Arten zu seinem Arbeitsplatz beim Daimler. Mal mit dem Werksbus,
der ab Reutlingen fuhr. Aber das dauerte zu lange. Eine weitere Möglichkeit bot
die Bildung von Fahrgemeinschaften. Am unabhängigsten war er, wenn er alleine mit dem Daimler zur Arbeit fuhr. Den
Winter verbringt A. Sezgin hier , den Sommer am liebsten in der Türkei. Dort
hat er allerdings zahlreiche Bekannte verloren.
Den
Bericht über den Zeitzeugenabend haben die Enkel von Sezgin im Reutlinger
Generalanzeiger online gelesen, weil sie als Türken den „GEA“ natürlich nicht
abonniert haben. In moderner Technik sind die Jungen jedoch fitt.
Auch
im November 2013 arbeiten weitere Wannweiler – in diesem Fall der Ernährer der vielköpfigen Palästineser-Familie Mraai aus der Schulstraße 2 (Altes Schulhaus
von1885) beim Daimler unter ganz anderen
Bedingungen: Jetzt allerdings über eine Leihfirma und befristet. So ändern sich die Zeiten.
Botho
Walldorf
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen