Dienstag, 20. Dezember 2011

Der Bauzaun vom Stuttgarter Hauptbahnhof ist jetzt im Haus der Geschichte Baden-Württemberg zu besichtigen (bis 1. April 2012)



Am Donnerstag, den 15 Dezember 2011 fand die Eröffnung der Ausstellung mit dem Titel "Dagegen leben" im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart statt. Im Saal für die Wechselausstellungen sind 80 Meter des Bauzauns vom Nordausgang des Hauptbahnhofs zu besichtigen. An Bildschirmen kann man sitzenderweise eine Anzahl der etwa 2000 Objekte betrachten und entsprechende Kommentare dazu lesen.

Eine Wertung des "Bauzaunes" nahm der in Tübingen lehrende, aber in Reutlingen wohnende emeritierte Professor Hermann Bausinger (geb. 1926) vor. Er referierte darüber welche mediale Wirkung schließlich von dem Bauzaun ausging. Bausinger gab auch seine Meinung dazu ab, ob man "Geschichte, die noch dampft", bereits ausstellen kann. Er beendete seine Ausführungen mit dem Ausruf "Schwaben 21 plus".

Ein Klang-Ensemble führte verschiedene Varianten des Volksliedes "Auf der Schwäbischen Eisenbahne" vor. Dazu wurden der Flügel und die Konzertorgel im Konzertsaal der Hochschule für Musik verwendet. Teile des Bauzaunes konnte man dabei in verschiedenen Lichtvariationen sehen.

Im Sommer 2010 war am Nordausgang des Stuttgarter Hauptbahnhofs zunächst ein ganz normaler Bauzaun errichtet worden, um den Abbruch des Nordflügels des Hauptbahnhofs vorzubereiten. Wenige Wochen später wurde der Bauzaun mit einem "Unterkriechschutz" und einem Vorzaun versehen.

Wann im Sommer 2010 die ersten "Botschaften" am Bauzaun befestigt wurden, verliert sich ein Jahr später bereits im Dunkel der Geschichte. Einige behaupten, im Anschluß an eine Demonstration anläßlich des "Christopher Street Day" seien die ersten Zettel am Bauzaun aufgetaucht. Ab September 2010 stand der Bauzaun dann unter Polizeibewachung. Die Anzahl der Botschaften vermehrten sich. Manche sind richtige, tiefsinnig angelegte Kunstwerke, denen sich die Zeitgeschichtler vom Haus der Geschichte besonders widmeten.

Um 23:20 Uhr fuhr der letzte Zug nach Wannweil, so dass genügend Zeit war, dem Event der Ausstellungseröffnung beizuwohnen. Dabei war nochmals Gelegenheit, die aktuell am Bauzaun hängenden Objekte zu betrachten. Polizisten sind keine mehr da. Am Nordausgang des Hauptbahnhofs ist in einem Zelt eine permanente Mahnwache mit Aktivisten besetzt, welche ihre Argumente unter die Bahnhofsbesucher bringen.

Mit dem Regierungswechsel nach der Wahl vom 11. März 2011 und der Volksabstimmung am 27. November 2011 sind auch die Wannweiler Bürger Zeitzeugen einer einmaligen Entwicklung geworden. Das wird in Zukunft immer wieder in den Medien veröffentlicht werden. Die Ereignisse werden um den Stuttgarter Bauzaun werden damit Teil des kollektiven Gedächtnisses und der Geschichtsschreibung. Die drei vorangegangenen Volksabstimmungen von 1950, 1951 und 1970 zur Neugliederung der Länder Baden und Württemberg waren schon in Vergessenheit geraten und bei dieser Gelegenheit wieder daran erinnert worden.

Botho Walldorf

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