Samstag, 23. März 2013

Oskar Schaumburg hat sein Buch "Daubengasse 55" neu aufgelegt


Ausschnitt aus dem Vorwort zur 2. Auflage, von Prof. Dr. Bausinger:

Familienfest, Stammtisch, Klassentreffen – man kennt die Szene: Eins von den Anwesenden kommt
auf ein Ereignis von früher zu sprechen; ein paar, die es auch miterlebt haben, mischen sich ein und
schieben Ergänzungen nach…

Aber Erinnerungen werden nicht nur bei solchen Gelegenheiten ausgelöst und ausgetauscht. Sie
tauchen auch auf, wenn man ganz allein in Fotoalben blättert; man denkt nach über Personen, die
man gut gekannt und jetzt doch erst auf den zweiten Blick identifiziert hat, und man holt ferne,
längst vergangene kleine Abenteuer zurück ins Gedächtnis. Oder man bekommt ein kleines Buch in
die Hand, in dem getreulich zusammengetragen und festgehalten ist, wie es früher war…

Oskar Schaumburg hat seinem Dorf ein solches Buch geschenkt. Kein trockener historischer
Bericht,
der Fakten aneinander reiht und sich mit statistischen Zahlen und Tabellen um Objektivität
bemüht. Oskar Schaumburg hat seine Chronik niedergeschrieben, zuerst bezogen auf das Haus, in
dem er aufgewachsen ist, und dann in konzentrischen Kreisen erweitert auf die Umgebung, von der
sich die Kinder zunächst nur ein kleines Stück aneignen konnten, die aber den Jugendlichen dann
zum wichtigsten Erkundungs-, Spiel- und Übungsfeld wurde. Und gerade dadurch, dass er sich
ganz zur eigenen Sichtweise, zur subjektiven Erlebnisweise bekennt, hat sein Büchlein
repräsentativen Charakter und gewinnt Gültigkeit fürs ganze Dorf.


Die älteren Leute unter seiner Leserschaft werden es bestätigen. Vielleicht waren sie beim einen
oder anderen Ereignis ja dabei und haben es genau so erlebt; Oskar Schaumburg lässt bei seinen
Schilderungen auch die einstigen Mitspieler zu Wort kommen, denen auch manche seiner
Leserinnen und Leser begegnet sind. Aber die Wirkung des Buchs geht nicht nur von solchen
Einzelheiten aus. Es breitet einen Schleier der Erinnerung über die Vergangenheit, an dem sich Alle
festhalten können. Und das gilt nicht einmal nur für die Bevölkerung in der Gemeinde.
Erinnerung ist ansteckend – auch über die Ortsgrenzen weg…


Nicht zuletzt deshalb ist dieses Buch auch etwas für die Jüngeren und die ganz Jungen. Sie erfahren
darin, wie es früher war, ungeschminkt und ohne falsche Romantik. Aber auch ohne dass mit
falschen Überlegenheitsgefühlen aus der Moderne auf die Vergangenheit zurück geblickt wird. Der
kleine Band macht deutlich, dass die wirklich wichtigen Dinge im Leben ziemlich wenig mit der
technischen Ausstattung und der hektischen Beschleunigung unseres Daseins zu tun haben, viel
dagegen mit Freundschaft und Nachbarschaft, mit dem inneren Reichtum des eigenen Lebens und
auch mit der Offenheit für andere Menschen und neue Lebensformen. Insofern ist die in diesem
Buch ausgebreitete Erinnerung wohl auch ein bisschen ansteckend für junge Leute – egal ob sie zu
alten Wannweiler Familien gehören oder ob sie als Zugewanderte etwas über die neue Heimat
erfahren wollen.

Hermann Bausinger

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